Tag 48

Manchmal stelle ich mir vor, ich lebte abgeschieden irgendwo auf einer Alp. Ich würde dort nur mit dem Nötigsten auskommen, was Nahrung, Kleidung, Unterhaltung und soziale Kontakte anbelangt. Es wäre ein selbstgewählter Rückzug vom Dröhnen der Welt und doch fern von der heiligen Überzeugung einer Aussteigerin. Ein netter Versuch, mir das auszumalen. Verlockend zumal, ich könnte mich da ganz und gar hinein-steigern. Doch bevor ich jetzt in die sozialromantische Falle tappe und das Gras wachsen höre und die zirpenden Grillen zu verstehen vorgebe: Der Vergleich mit der virusbedingten Rückzugszeit hinkt an allen Ecken und Enden und wankt vor allem im Fundament. Denn die von Covid-19 verursachte Absenz von sozialem Miteinander ist mitnichten selbstgewählt. Und steht in krassem Widerspruch zur Vor-Corona-Zeit, da allenthalben vor Entsozialiasierung und Anonymisierung gewarnt wurde, weil niemand mehr auf den anderen zuginge und jeder nur noch in sein Gerätchen glotze, in der Meinung, so zur Genüge mit der Welt verbunden sein. Alles obsolet geworden. Derzeit kann jeder bei seinem Hofgang von der Quarantäne ungestört in sein Gerätchen glotzen, so lange er will. Doch wer weiss, vielleicht dringen beim Spaziergang plötzlich die zirpenden Grillen durch, und wer weiss, vielleicht haben sie sogar etwas zu erzählen.

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