Tag 47? Tag 470? Mittlerweile ist es fast einerlei, wie viele Tage es nun schon sind. Die Normalität vor Tag 0 ist Vergangenheit. Auch wenn schon Gartencenter, Coiffeure, Physiotherapeuten ihre Dienste wieder anbieten können. Auch wenn Schulen bald geöffnet werden, Grosseltern ihre Enkel wieder umarmen dürfen, Altersheime Besuchszonen einrichten. Und auch wenn unter Einhaltung adäquater Schutzkonzepte Restaurants bald wieder Gäste empfangen können. All die Lockerungsmassnahmen helfen hoffentlich, das Getrenntsein ein Stück weit zu überwinden und die kränkelnde Wirtschaft zum Laufen zu bringen. Doch die Normalität von früher werden sie nicht herstellen können. Normal wird auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht mehr sein, was es früher war. Normal wird sein, dass das Leben weiterhin von Vorsicht geprägt sein wird, von Zurückhaltung gegenüber Menschenaufläufen, von Abwarten, von Maskierten im öffentlichen Raum, von Tracing Apps, die wir in corpore hochladen werden, von Homeoffice in etlichen Berufszweigen. Selbst Einladungen im privaten Rahmen dürften so schnell nicht wieder gang und gäbe sein. Bis irgendwann dereinst dank eines Impfstoffs oder eines Medikaments Entwarnung gegeben werden kann. Und nach dem Tag X, da dies geschieht, werden wir, die wir Corona nun im kollektiven Gedächtnis gespeichert haben, Tag für Tag zu unserer neuen Normalität formen.
Wie sie wohl aussehen wird?
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Tag 46
1. Mai. Keine Sonne, kein Zusammensitzen auf dem Kasernenareal, keine Kundgebung auf dem Helvetiaplatz, obwohl die arbeitenden Menschen und deren Gewerkschaften einiges zu sagen hätten in diesen aussergewöhnli-chen Zeiten. Und auch kein über die Jahre zur Tradition gewordenes Treffen zur Lützelsee-Badieröffnung. Stattdessen fahre ich zwecks Optimierung ergonomischer Homeoffice-Verhältnisse (bzw. zwecks künftiger Schonung meines Nackens, der sich nach bald sieben Wochen Heimarbeit wie Beton anfühlt) nach Basel, einen bei Tutti für 120 Franken erworbenen Bürostuhl abzuholen, der nicht nur bequem, sondern auch ansehnlich ist. Will heissen: Er ist keine rabenschwarze Monstrosität, die das Büro verschandelt, sondern ein ansehnlicher Sessel in Rot, den Mario Bellini designt hat und den Vitra noch heute im Sortiment führt. Wie schon bei der Abholung der Hochbeete in Winterthur wird die Suche nach der Adresse des Verkäufers in Reinach zur Tortur. TomTom und Here vermelden: zu wenig GPS. Ich kurve sicher eine Stunde ums nahe Ziel, bis es Google Maps schliesslich schafft, mich korrekt zu lotsen. Die Neueroberung ins Auto hieven, retour fahren und vor Zürich die Entscheidung, die Stadt nicht per Nordkreisel zu umgehen, sondern mitten in sie hineinzufahren für einen Kurzbesuch beim Lieblingssohn und bei der schwangeren Lieblings-schwiegertochter in spe. Die Freude ist beiderseits gross, wenn auch von kurzer Dauer. Nach zwanzig Minuten auf dem Zürcher Terrässli zottle ich wieder ab. Und bin nun wieder a casa. Und sitze auf Bellini. Und freue mich über die Zeichnung von Felix Schaad im “Tages-Anzeiger”. Ecco:
Tag 45
Showdown im Homeoffice vor dem 1. Mai. Ein Monstertag. Turnübungen und Dehnungen wider die Nackenschmerzen genügen auf Dauer nicht mehr. Ein neuer Bürostuhl muss her. Gesagt, getan und online bestellt. Ein Highlight der Woche. GNTM: grossartige Zerstreuung. “Erschütternde Wahrheit”, ein Film über die wahre Geschichte des schwarzen Arztes, der Schädel-Hirn-Traumata bei Football-Spielern nachwies: erschütternde Wahrheit. Parallel den Strampler aus Restwolle fertiggestrickt (der Nacken juchzt). Ansonsten? Nulla di nulla. Ausser ein paar Erkenntnissen zum Verhältnis von Gemeinschaft und Regierung. Doch davon später.
Tag 44
A day at the races: Arbeiten, kurz einkaufen, Hänteliübungen, arbeiten,
mit R. per Mail ein bisschen tratschen, Spaziergang durch die Reben, Wäsche zusammenfalten, köcheln (Resten von Kefen und Spargeln mit gebratenen Kartoffeln vermischt, zum Finish ein Ei darüber geworfen
und stocken lassen), “Tagesschau”, fertig. Der Höhepunkt des Tages:
Ein Telefon mit S. Herzlich über ihre Bemerkung zu pseudopoetischen Snobtexten gelacht. Muss auch mal sein, so ein bisschen schnöden. Auch wenns nicht fair ist, an dieser Stelle nicht zu verraten, um was für Werke
es sich dabei handelt. Doch glaubt mir: Ihr werdet es verkraften. 😉
Tag 43
Dienstag ist mein Freitag. Und da es heute wiederum sommerlich warm war, fragte ich meine liebe M., ob ihr ein Besuch genehm wäre. Sie zeigte sich entzückt. Also reiste ich nach Küsnacht, um im Garten des Herr-schaftsgebäudes, in dem einst Conrad Ferdinand Meyer lebte, einen Räuschling aus den dortigen Reben zu verkosten und ein wie immer angeregtes Gespräch über Gott und die Welt zu führen, vielmehr: über Göttinnen und Welten. M. ist 82 und zählt zu meinen liebsten Freundinnen, deren Gesellschaft mir stets wertvoll ist. Ihr ahnt es schon: In Tat und Wahrheit war es heute weder sommerlich warm, noch ging ich M. besuchen. Denn M. lebt seit dem Tod ihres Mannes in einer der stattlichen Wohnungen der Küsnachter Seniorenresidenz, und da ist seit Wochen wie in allen Altersheimen Besuch untersagt.
Stattdessen mistete ich den Kleiderschrank nach eigenem Gutdünken und nicht nach Konzept Kondo (Schrank erledigt, nun kommen noch die zwei! Kleiderstangen dran), besuchte T. auf seinem Waldgrab mit einem Blümchen und einer Zigi, SMSte mit A. aus Avignon, ging ins Finale der Bepflanzungen, nun auch noch auf dem Balkon – und ja: hatte schliesslich M. am Telefon, bei dem wir den Plan hegten zu erzählen, wir hätten heute ein Weinchen zusammen getrunken…
Ansonsten: An all die Freunde und Freundinnen gedacht, die seit gestern wieder zur Arbeit gehen müssen. Mit ÖV und allem drum und dran. Wenn das nur gut geht!
Ansonsten zwo: den lieben langen Tag das Wasser begrüsst, das aus dem Himmel auf die Welt fällt – und mir auf den Kopf beim Spazieren.
Tag 42
Der letzte warme Vorsommertag vor dem heiss erwarteten Regen diese Woche. Wenn nicht jetzt, wann dann – also heute Abend – die “neuen” (bei Tutti erworbenen) und gestern in Oberwinterthur abgeholten Hochbeete bepflanzen? Drum ab acht Uhr Vollgas im Homeoffice, über Mittag ins seit heute wieder geöffnete Gartencenter um die Ecke: Erde (viel Erde, sehr viel Erde), Vlies, Kompost (sehr viel Kompost), zweierlei Lavendel, Mangold, Cherrytomaten, Basilikum, Prezzemolo einkaufen, nach Hause karren, ausladen. Dann wieder heimarbeiten. Und um fünf geht sie los, die feierliche (und schweisstreibende) Schichtenbefüllung mit Blähton, Vlies, Kompost, Erde und anschliessender Bepflanzung der Hochbeete zwecks Begrenzung meines Terrässlis, das bald auch mit einem direkten Zugang ins Haus verbunden sein wird. Denn ab sofort ist mein Gartenplätzchen ein Gartenplätzchen und kein Durchgang mehr. Mehrere Jahre habe ich darum gekämpft, dass die Nachbarn endlich ihr Wegrecht, das notabene von 1898 datiert, aufgeben. Diesen Winter habe ich sie genötigt, vielmehr nötigen müssen. Sie wollten meine Unterschriften unter ihre Umbaupläne, ich verlangte im Gegenzug ihre für die Auflösung der uralten Dienstbarkeit – die wohl einst dazu diente, Heizkohle vom einen Flarzteil zum nächsten zu karren. Was früher Durchgangsweg war, ist nun endliche eine Oase im Grünen. Klein, aber fein. Ihr Bienelein, kommet!
Tag 41
Oh – eine Primzahl! 41. Was willst du uns denn sagen, du erste deiner Reihe? Willst du, dass wir die Tarte au rhubarbe meringuée durch 41 teilen? Nun gut, erledigt. Und willst du, dass wir dich googeln? Auch gut.
Wikipedia spuckt zu dir für mich absolut Unverständliches aus: Das Polynom {\displaystyle n^{2}+n+a} liefert ür {\displaystyle a=41} für alle {\displaystyle n\in \{0,\dotsc ,a-2\} Primzahlen.
Und die Site “Bedeutung der Zahlen, Zahlen der Bibel” geizt auch nicht mit Kryptizismus: Die Zahl 41 steht als kleinere Primzahl mit der Zentralzahl 42 des Primzahlzwillingstripletts in enger Beziehung. Die Zahl 41 ist eine Vorankündigung der Herrlichkeit dessen, der auf die Erde kommen sollte. Der Schlüssel zum Verständnis der Zahl 41 ist das zweite Kapitel des Briefes an die Philipper. In diesem Kapitel wird deutlich gemacht, wie tief sich der Sohn Gottes durch sein Kommen auf die Erde erniedrigte.
Die Primzahlenfährte, meine Lieben, war bloss ein zugegeben hilfloser Versuch, euch ein bisschen zu unterhalten. Wobei es nicht uninteressant ist, dass Primzahlen offenbar so einiges mit Zikadenpopulationen zu tun haben. Davon kein nächstes Mal. Aber die Grillen von gestern Abend lassen grüssen. Bonne nuit, mes amis!
Tag 40
Zum 40. Lockdowntag erklingt ein Grillengezirp, wie ich es in solcher “Zivilisationsnähe” schon lange nicht mehr hörte. April in Stäfa wie Juni in der wilden Maremma. Es überhaupt vernommen zu haben, rührt daher, dass ich heute schampar spät von den Hügeln hinunter und wieder nach Hause kam: um 21.30 Uhr. Um diese Zeit brachen wir früher erst auf in Nächte. Früher…
Tag 39
24. April. Angesichts der ächzenden Wirtschaft und dem ganzen sozial-wirtschaftlichen Gefüge, das lange brauchen wird, um wieder in die Gänge zu kommen, mag es nicht oppurtun erscheinen, überhaupt so etwas zu sagen. Aber was ist schon oppurtun angesichts dessen, dass niemand weiss, wo hier der Ausgang ist, wann er sich auftun, wo der Weg hinausführen und was dort sein wird? Jedenfalls gibt es auch “Corona-Gewinner”: Menschen, die diese Tage und Wochen vollumfänglich geniessen, die ihnen plötzlich geschenkt sind, da sie – aus was für Gründen auch immer – nicht arbeiten müssen und berufshalber nicht homeofficen können. Darüber habe ich heute beim Spaziergang sinniert bzw. beim rücklings auf der Wiese liegen und in die Sonne blinzeln. Ich finde es überaus erfreulich, wenn Menschen die Freude wagen, statt sich zu beklagen und um ihre Zukunft zu bangen (zumal auch sie Gründe finden könnten, dies zu tun). Ein Hoch also auf alle, die medial kaum wahrgenommen werden: auf die Geniesser des Augenblicks!
Tag 38
Homeoffice, Homeoffice, Homeoffice. Ein Dankeschön-Päckli im Milchkasten: Wie schön! Und sonst? Kurz in die “Corona-DOK” hineingeschaut auf SF1. Die Märztage vor und nach dem Lockdown nochmals Revue passieren zu lassen, war eigentümlich. Denn die Erinnerung daran sind noch hellwach: all die Fragen, Unsicherheiten, Ungewissheiten. Und doch scheint alles schon ewig her zu sein.