Ich machte heute um drei Uhr nachmittags Sonnenpause vom Heimbüro.
Ein Spaziergang, der mich erst durch die Reben, dann einmal mehr durch das Männedörfler Tobel hinaufführte. Und da geschah es: Die Grüntöne im lichten Tobel waren so atemberaubend, dass ich tatsächlich die Handykamera zückte. Et voilà (in 460 KB-Auflösung):
Category: Blog
Tag 36
Nächtens hat mir geträumt, ich müsste für sechs Personen ein Abendessen zubereiten – mit dem, was halt da ist. Und da ich Herausforderungen offenbar auch im Traum gern annehme, begann ich sogleich zu planen wie eine Irre. Müsliblättli als Appetizer (Salbei gibts in Massen im Gärtli) waren im Traum ebenso schnell geboren wie der Dessert: Tarte tatin mit Zwetschgen (Blätterteig und Früchte im Tiefkühler). Ferner plante ich einen Salat aus geraffeltem Sellerie und rohen Randen (“Lager” im Keller), arrangiert mit Ingwer, Zitronenschalen und Peterli (im Kühlschrank bzw. im Kühler). Und kam träumend, bevor ich mich des Hauptganges annehmen konnte, plötzlich in einen bodenlosen Stress: Kochen ginge ja noch, aber ich muss auch noch das Badezimmer putzen, den Tisch decken, alles schön anrichten, und meine Güte, ich hab ja kein Personal! – wie soll ich das in einer Stunde schaffen? Weiter bin ich im Traum nicht gekommen. Und also kam der Schlaf und trennte mich per sofort vom Geschehen ab – und von den Gästen. Schade. Ich war so neugierig darauf, wer da kommen würde…
Keine Frage: Mit dem, was im Haus ist, könnte ich mindestens sechs Personen gut und weit mehr also eine Woche lang verköstigen. Doch:
Wieso träume ich davon? Und: Was will mir das sagen? Fragen über Fragen. Bleibt nur die Flucht nach vorne und in die nächste Nacht. “Im Grunde gut”: Ich komme!
PS Apropos “Im Grunde gut”: Habt ihr gewusst, dass die Mehrheit der Soldaten in Kriegen (85 Prozent) dem Gegner gar keine Gewalt antun will? Die Mehrheit schiesst nicht oder absichtlich daneben. Irre, nicht? Ich habs nicht gewusst und finde es mehr als bemerkenswert.
Tag 35
Ich hatte ja gemeint, alles über Queen, die grossartigstee Rockband des letzen Jahrhunderts, schon lange einverleibt und gesehen zu haben. Dann kam da vorvorvorgestern (ungefähr) auf einem dieser unmöglichen Sender “We are the champions – 50 Jahre Queen”. Zwei Abende lang geschaut, am Schluss mit feuchten Augen. Der Moment ist verbürgt, da Freddie (damals noch mit Nachnamen Pulsara) deprimiert in der Bar hockte und sagte: “Ich werde nicht Rockstar, ich werde eine Legende.” Und wie Freddie (später Mercury) diese Eingebung Schritt um Schritt wahr machte. Obwohl er als Privatmensch überaus scheu war, so sagen seine Weggefährten. Wie soll man wissen, was stimmt, was nicht? Die Legendenbildung hat bei mir jedenfalls hundert Prozent funktioniert und mich zu Tränen gerührt.
Tag 34
Heute habe ich erstmals gedacht, dass ich mich nun an sie gewöhnt habe, an die Gleichförmigkeit der Tage mit, wenn überhaupt, nur einer virusbedingt gescheit eingefädelten nachmittäglichen oder frühabendlichen Begegnung. Die Begegnung ist zu einem Highlight geworden in meinem Einerlei, die mich eine Weile beschäftigt und über die ich länger nachdenke, als ich es vielleicht vor dem Lockdown tat. Dem sagt man wohl “runterfahren” und “bewusster leben”. Und: Heute habe ich erstmals gedacht, dass ich nach Corona nicht verlieren möchte, was mir absurderweise durch Corona wieder wertvoll geworden ist: die Tage so zu nehmen, wie sie sind. Doch: Keine Corona-Einsicht ohne Post-Corona-Aussicht: Denn niemand kann mir die Freude daran nehmen, euch alle wiederzusehen da draussen, möglichst gedrängt bei etwelchen Festen, Treffen, Proben, Schlemmereien, Sitzungen (!), kleinen und grossen Reisen, Brockitouren, Apérölis. Hach!
Tag 33
Auf die Gefahr hin, euch zu langweilen: Ja, ich bin schon wieder durch die nähere Umgebung gelaufen, zwei Stunden lang. Clever eingefädelt habe ich heute die Runde. Erst durch die Reben, auf dem Weg neben dem Männe-dörfler Tobel steil hinauf, das Trassee des einstigen Meilen-Wetzikon-Bähnchens (auch Bünzlitrucke genannt) passierend, dann die Höhe haltend Richtung Zürich, links am Bocciaclub vorbei, zum Widenbad. Jetzt kommts: Da am Stand ein Gläschen Räuschling erworben, um es auf “Heimatboden” zu verköstigen. Heimatboden meint die Scheune beim Widenbad, wo die Truppe Treibholz gewöhnlich im April/Mai Theater spielt. Wegen Corönchen heuer natürlich nicht.
Eine Wandergeschichte von einst: Als mein Sohn noch Kind und noch nicht pubertär war, gingen wir gefühlt jedes Wochenende wandern. Er, erst mit nicht gesteigerter Lust, trabte dann immer voraus, notabene mit etlichem “unerlässlichem” (und schwerem) Elektro-Equipment im Rucksack. Vom I-Pod über den Gameboy bis zum Böxli: Alles schleppte er den Berg hinauf (um es unbenutzt wieder hinunterzutragen). Bei den Rastpausen freuten sich mein damaliger Parnter und ich bei einer Wanderung im Bündnerland wortreich auf den “Gipfelwii”. Und als wir auf dem Gipfel waren, sagte mein Sohn, der sich sichtlich auch freute: Wo ist denn nun das Gipfeli? Haha.
Runden drehen kann man übrigens auch hier:
Tag 31
Und also gibts bald wieder Blumen, Frisuren, Nackenmassagen und schöne Fingernägel. Die heute verkündeten Lockerungen des Lockdowns sind eine erste Erleichterung und stimmen zuversichtlich. Ich werde das geplante Hochbeet also nicht online bestellen, sondern vor Ort aussuchen. Freue mich. Heute nach der Arbeit im Heimbüro zwei Sendungen geschaut, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Auf dem einen Kanal im Sinkflugniveau GNTM und dabei Wetten mit S. abgeschlossen, wer nun von den “Stelzen” gewinnen wird (der Einsatz: eine Stange Dubler-Mohrenköpfe und eine Flasche Wein). Auf dem andern Kanal: “Die Getriebenen”, ein deutscher Film, der die Geschehnisse von 2015 nachzeichnet: drohender Grexit, massive Flüchtlingskrise, aufmarschierende Neonazis im ehemaligen Osten Deutschlands, ein ungarischer Präsident, der so gar nicht zur europäischen Gemeinschaft passt, die gemeinsam nach Lösungen sucht bzw. suchen sollte, innerdeutsches Machtgerangel. Und mittendrin Angela Merkel, die auf einen Schlag sehr menschlich wird, wenn sie sich fragt: Woher kommt dieser Hass? Und wenn sie sagt: Uns geht es gut. Es ist doch unsere Pflicht, Vertriebenen zu helfen. Danke für diesen Film wider das Vergessen!
PS Heute beim Getränkehändler nachgefragt, wie lange damals der neben mir einzige Kunde noch vor dem Grappagestell herumkroch. “Lange”, sagte der Getränkehändler lachend. Aber der Kunde habe dann auch viel gekauft.
Tag 30
Blumen gehören in meine vier Wände wie der Freudenschrei zum hoffentlich nicht mehr allzu fernen Corona-Ende. Ob sie knospen, in voller Blüte stehen oder welken, Blumen sind für mich in jedem Stadium ein hinreissender Anblick. Fehlen sie, fehlt mir etwas. Jedenfalls gabs plötzlich keine Blumen mehr. Weder beim Grossverteiler, beim lokalen Gärtner, noch an Selbstbedienungsständen. Wie wenn Blumen ansteckend wären und man sie deswegen nicht mehr unter die Leute bringen könnte. Unverständlich erschien mir, wieso Gärtnereien ihre blühende “Ware” nicht mehr verkau-fen durften, und das ausgerechnet in der Hochsaison. Was tun also? Jede Petition pro Blumenverkauf unterschreiben, die irgendwo in Umlauf war, und: Walter aktivieren, den grossartigsten aller Blumenheger. Walter hatte viele Jahre am Stäfner Markt seine Blumen feil gehalten, die er in Feldbach anbaut. Nicht mickrige Sträusslein für ein Heidengeld, sondern satte Bünde zu einem überaus fairen Preis. Altershalber hörte er mit der Marktfahrerei auf, pflanzt aber in Feldbach nach wie vor an. Und beliefert mich nun mit dem, was er hat. Derzeit natürlich mit Tulpen in allen Farben. Wir gehen dabei so vor: Ich schreibe, wenn ich wieder Bedarf an Blühendem habe, er schneidet, wenn etwas spriesst. Und gibt mir Bescheid, wenn der Strauss auf seiner Terrasse abholbereit ist. Ich bezahle per Twint, hole die Blumen und freue mich wie ein kleines Kind. Denn Blumen gehören in meine vier Wände wie der Freudenschrei zum hoffentlich baldigen Corona-Ende.
Tag 28
Ein Mondmonat seit dem Lockdown, viermal sieben Tage. Ein Zwölftel des Jahres. Berechnungen geben manchmal Halt oder so etwas wie zeitliche Orientierung. Orientierung. Was für ein Wort! Es heisst: Ich finde mich zurecht, wenn ich den “Orient”, der einst verkürzt für Jerusalem stand, finde. Auch ein Witz, gell. Man drehte also einfach die Karte so lange, bis Jerusalem oben stand, und “orientierte” sich dann. Was für ein Durcheinander. Und was alles im Sprachschatz Eingang findet über die Jahrhunderte, unglaublich. Drum werde ich mich ab sofort nicht mehr orientieren. Sondern? Na ja, zum Beispiel islandisieren, alaskieren, indianisieren, mexikanisieren, australisieren. Hauptsächlich aber notgedrungen stäfanisieren. Grauslig, das Wort. Drum lieber hafisieren, waldisieren oder seeieren. Auch nicht ganz überzeugend. Also vielleicht doch lunarisieren? In der Bildbearbeitung offenbar eine Anwendung des Solarisationseffekts (keine Ahnung, was das ist, aber egal). Gebt “lunarisieren” mal bei Google ein, da gehts wahlweise direkt in den Weltraum oder aber zu biblisch-aramäisch “lunarisierten” Hauptgöttern. Wählet weise!
“Siebe siebe” wars bei Züri West. Vier mal sieben stehts grad bei uns. Und sie lached und seit, heschs der’s guet überleit: S isch vier mal siebe für üs. Betonung auf “für”!
Tag 26
Wiederum meilenweit auf noch unbegangenen Wegen in nahen Wäldern gewandelt, P. im Garten besucht, die Sicht auf See, Glarner und Inner-schweizer Alpen aufgesogen. Die Sonne sowieso, den Sprudel auch. Über den gescheiterten Versuch, die “Gartenparty”per Videochat nach Zürich zu erweitern, erst geschmunzelt, dann laut gelacht. Nach Hause spaziert durch laue Lüfte. Später wiederum mich selbst bekocht (Wienerschnitzel und Camargue-Reis) – saufein -, wiederum bisschen TV geglotzt (langweilig), und wiederum mit der Restwolle am Strampler gestrickt (wie der wohl rauskommt? Ein Sürprisli). Das Gefühl, in eine Endlosschlaufe geraten zu sein: rauf runter, um die Kurve, runter, rauf, über die Kreuzung (Rechts-vortritt?) undsoweiter- und bei Belieben in 3-D mit Innen- und Aussen-bahnen variierbar. Die begehbaren Variationen unbedingt im Auge behalten und gegebenenfalls zumindest im Geist in Angriff nehmen, so schreib ich mir hinter die Ohren, denn dieser 26. Corona-Abend wird noch lange nicht der letzte sein. Umso mehr freue ich mich auf das seit dem Lockdown wiederkehrende abendliche Highlight: die Lektüre von Bregmans “Im Grunde gut”. Grosses Kino.
Tag 24
Tag 21: gestrichen. Tag 22: gestrichen. Tag 23: gestrichen.
Die Corona-Verkürzungsmassnahmen haben gegriffen. Die Küche erstrahlt in neuem Glanz, und ich sehe alt aus (aber glücklich). Es gibt wohl kein noch so kleiner Muskel, der sich derzeit nicht bemerkbar machen würde, das Gerippe ächzt, und selbst die Hände sind empfindlich ohne Ende. Und jetzt? Was tun mit der restlichen “Ferien”-Zeit. Mal schauen… 😉
Apropos Foodwaste (siehe Tag 19): Heute eine ganze Gurke im Auflösungsstadium der Ewigkeit anheim gegeben.
Vorgestern Nacht war ja Supermond. Ihr wisst schon: jener rare Moment, da die eliptische Laufbahn des Trabanten so “nah” an der Erde vorbeiführt, dass der Vollmond grösser am Nachthimmel erscheint als gewöhnlich. Ich habe das angekündigte Phänomen zur Kenntnis genommen und schlicht wieder vergessen. War ja um vier Uhr morgens, und ich war im Handwerkermodus, also hundsmüde. Aber wer erwacht um vier Uhr, fragt sich: Wieso das denn? Versucht verzweifelt, wieder einzuschlafen, bis die Erinnerung reinrieselt: ah ja, der Supermond? Natürlich ich. Also rausgehen, die Position des Mondes ausmachen, die silberne Kugel anhimmeln für eine Weile und von ihr beschienen werden. An Schlaf war fortan nicht mehr zu denken, also lesen und warten, bis die Welt erwacht und ich wieder ungestört den Pinsel schwingen kann. Bisherige Umfragen im umständehalber nächsten Umfeld haben ergeben: Kaum jemand ist sonst auch noch wegen des Silberriesen erwacht. Falls schon, bitte melden. Ich bin übrigens absolut miserabel im fotografischen Festhalten etwelcher Ereignisse, drum hier ein Bild des Supermondes eines unbekannten Fotografen über dem Säntis.